Wenn die Karriere das Gehirn überholt
- Olav Bouman
- 24. Juni
- 3 Min. Lesezeit

Was Neurowissenschaften über das Peter-Prinzip verraten
In fast jedem Unternehmen gibt es sie: Kolleginnen und Kollegen, die in ihrer Rolle brillieren – und dann befördert werden … nur um kurz darauf zu scheitern. Willkommen beim Peter-Prinzip: Demnach steigen Menschen in Hierarchien so lange auf, bis sie die Stufe ihrer Inkompetenz erreichen. Klingt zynisch – lässt sich aber erstaunlich gut mit Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft erklären.
Erfolg ist nicht gleich Eignung
Wer im Job erfolgreich ist, hat meist über Jahre eingespielte Routinen und gehirngerechte Abläufe entwickelt. Das Gehirn liebt das – es spart Energie, aktiviert das Belohnungssystem (Dopamin!) und produziert Sicherheit. Wer dann befördert wird, steht plötzlich vor ganz neuen Herausforderungen: Teamführung, Strategie, Konfliktmanagement. Fähigkeiten, die ganz andere neuronale Netzwerke verlangen – etwa im präfrontalen Kortex, dem Zentrum für Planung, Impulskontrolle und Weitblick.
Kurz gesagt: Die alten Muster greifen nicht mehr – und das Gehirn muss umlernen. Doch das ist leichter gesagt als getan.
Stress macht dumm – zumindest kurzfristig
Mit der neuen Rolle kommt oft auch Druck: Erwartungen, Unsicherheit, soziale Vergleiche. All das aktiviert unser Stresssystem. Und das hat es in sich. Unter Stress schüttet das Gehirn Cortisol aus – ein Hormon, das in kleinen Dosen hilfreich ist, aber in Dauerbeschallung die kognitive Leistungsfähigkeit senkt. Konzentration, Gedächtnis, Entscheidungsqualität: alles leidet.
Besonders betroffen ist der präfrontale Kortex – also genau jener Bereich, der in der neuen Rolle gefragt wäre. Stattdessen übernimmt die Amygdala – unsere emotionale Alarmanlage. Wir reagieren dann impulsiv, defensiv oder gar nicht mehr. Die Folge: Wir wirken überfordert – und sind es oft auch.
Motivation: Der Dopamin-Trick
Beförderungen fühlen sich erstmal gut an. Sie aktivieren unser Dopaminsystem – das macht uns motiviert, wach, lernbereit. Aber: Dieser Effekt hält nur an, solange wir uns als kompetent erleben. Fehlen im neuen Job messbare Erfolge, bricht die Belohnungskette ab. Das Gehirn fragt sich: Wofür strenge ich mich hier eigentlich an?
Ohne regelmäßige Erfolgserlebnisse (und seien sie noch so klein) verliert das Gehirn seine Lust am Spiel. Die Arbeit wird zur Pflicht, nicht mehr zur Quelle von Stolz oder Freude. Und genau hier beginnt das Peter-Prinzip zu wirken: Die ehemals motivierte Fachkraft gerät in eine Rolle, die sie nicht stärkt, sondern auslaugt.
Führung ist kein Talent – sondern Training
Die gute Nachricht: Das Gehirn bleibt lernfähig. Neuroplastizität bedeutet, dass wir bis ins hohe Alter neue Fähigkeiten erwerben können – auch Führungskompetenz. Aber das passiert nicht über Nacht. Es braucht Zeit, Übung, Feedback – und ein Umfeld, das Lernen erlaubt.
Viele Organisationen machen hier denselben Fehler: Sie befördern gute Fachkräfte – und lassen sie dann allein. Kein Mentoring, kein Coaching, kein strukturiertes Onboarding. Stattdessen: „Du machst das schon.“ Doch das Gehirn „macht“ eben nicht von selbst – es braucht Anleitung, vor allem in neuen Rollen.
Organisationen verstärken das Problem – unbewusst
Das Peter-Prinzip ist nicht nur ein individuelles, sondern auch ein strukturelles Problem. Wer in seiner Rolle glänzt, wird befördert – weil das die klassische „Belohnung“ ist. Dass die nächste Stufe aber ganz andere Fähigkeiten verlangt, wird oft ignoriert.
Besonders fatal: Fachkarrieren sind in vielen Unternehmen weniger angesehen als Führungslaufbahnen. Also bleibt oft nur der Weg nach oben – auch wenn er nicht passt. Das Resultat: Menschen in Rollen, die sie nicht erfüllen – und die sie auch nicht erfüllen können, weil sie nie dafür ausgebildet wurden.
Hirngerechte Karriereplanung: Geht das?
Ja. Unternehmen können viel tun, um das Peter-Prinzip abzufedern:
Führung als Beruf begreifen – nicht als Belohnung.
Vor der Beförderung prüfen, ob die Person das will und kann.
Feedback- und Lernkultur stärken, die Fehler erlaubt.
Coaching und Mentoring in den ersten Monaten.
Fachlaufbahnen aufwerten, um Alternativen zur Führung zu bieten.
Denn wenn das Gehirn in der richtigen Umgebung, mit der richtigen Aufgabe, im richtigen Tempo gefordert wird, kann es wachsen. Wenn nicht, schaltet es auf Abwehr.
Fazit: Das Peter-Prinzip ist kein Naturgesetz
Wenn Menschen in der falschen Rolle scheitern, liegt das oft nicht an Faulheit oder Unfähigkeit – sondern an der Diskrepanz zwischen Aufgabe und neuronaler Vorbereitung. Wer das weiß, kann Karrieren klüger gestalten: weniger steil, aber nachhaltiger. Weniger abrupt, aber erfolgreicher. Und weniger zerstörerisch – für den Einzelnen wie für das ganze Team.Die Neurowissenschaft liefert also eine einfache Botschaft:
Führung ist kein Ziel, sondern ein Lernprozess.
Wer das versteht – und systematisch fördert – hat gute Chancen, das Peter-Prinzip zu überwinden. Im Kopf beginnt’s.
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